Der Sagenkreis der Lößnitz: Spuk- und Geistergeschichten
Der erste Monat im neuen Jahr ist nach dem römischen Gott Janus benannt, der laut antiker Mythologie zwei Gesichter trägt. Man erzählte sich, dass er zugleich in die Vergangenheit sowie in die Zukunft zu schauen imstande ist. Der Januar galt damit als Bindeglied zwischen Altem und Neuem, Janus als Gottheit der Ein- und Ausgänge, der Türen und Tore. Nicht umsonst erstrecken sich die Raunächte bis in den Januar hinein – die Zeit der offenen Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits. Andere Bezeichnungen nannten ihn Schneemond oder Eismond, aber auch Hartung, denn er galt als der „härteste“ Monat. Eine Bauernregel besagte: je frostiger der Jänner, je freundlicher das ganze Jahr. Die dunkle Jahreszeit mit eisigen, langen Winterabenden brachte auch in der Lößnitz die Menschen bei Kerzenschein und Kaminfeuer zusammen, wo sie sich Spuk- und Geistergeschichten erzählten. Zwei davon hat die Redaktion der Zeitschrift „Elbaue“ (1924) vor dem Vergessen bewahrt, sie sollen hier wiedergegeben werden.
Der Spuk im „Goldenen Anker“ zu Kötzschenbroda
Im Gasthof zum goldenen Anker in Kötzschenbroda ging es um. Es befindet sich dort im Hofe eine hohle Stelle in der Wand, die sich gleichwohl nicht öffnen läßt. In derselben soll sich der Körper eines Mädchens befinden, das dort bei einem großen Brande (1707?) umgekommen sei. Das Mädchen läßt sich jedoch nicht sehen, allein während der Nacht öffnete in dem Gasthofe ein unsichtbares Etwas oft die Türen und Fenster, so daß niemand ruhig schlafen konnte.
Das spukhafte Bild zu Kaditz
In dem bei Dresden gelegenen Dorfe Kaditz befindet sich eine altertümliche Kirche, welche in ihrer Vorhalle eine Statue ihres Schutzheiligen und Oelgemälde des ehemaligen Pfarrers Böhme in Lebensgröße zeigt. In letzterem erzählt die Sage, er habe sich erhängt und sei von den Seinigen in die Elbe getragen worden, daß man glauben solle, er sei darin ertrunken. Jedesmal am Kirchweihetage des Ortes, an welchem Tage sich der Geistliche umgebracht hat, fängt dieses gespenstische Bild an zu schwitzen, gleichsam als trete ihm der Todesangstschweiß auf die Stirn.
Maren Gündel, Stadtarchiv
Erschienen in: Amtsblatt Radebeul, Januar 2021