100 Weinbaumuseum Hoflößnitz

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100 Jahre Weinbaumuseum Hoflößnitz

das am Pfingstsonntag, dem 8. Juni 1924 unter dem Namen „Heimathaus“ feierlich eröffnet wurde, hatte eine rund 15-jährige Vorgeschichte und verschiedene Väter. Zur großen „Ausstellung der Lößnitzortschaften für Handwerk und Gewerbe, Kunst, Gartenbau und Industrie“ im Mai/Juni 1909 in Kötzschenbroda hatte die vom Niederlößnitzer Schulleiter Emanuel Erler geleitete Ortsgruppe des Vereins für sächsische Volkskunde eine „Sonderausstellung über die Weinbauzeit in der Lößnitz veranstaltet“. Über diese Schau sei König Friedrich August III. anlässlich seines Besuchs, nach Erlers Worten, so beeindruckt gewesen, „daß er gegenüber den Behördenvertretern den Wunsch äußerte, diese Ausstellung müsse erhalten bleiben.“ Anfang 1910 trat in der Lößnitz ein informelles „Hoflößnitz-Komitee“ zusammen, dem unter anderem Staatsarchivar Dr. Woldemar Lippert angehörte. Vordringlichstes Ziel des Komitees war, das historisch besonders wertvolle und vom Verfall bedrohte Lusthaus der Hoflößnitz in sichere Eigentumsverhältnisse zu überführen und dort wo möglich ein Museum einzurichten.

Beide Anliegen verbanden sich mit der Gründung des „Hof- lößnitz-Vereins“ am 20. März 1912, dem unter anderem auch Emanuel Erler und Dr. Lippert angehörten und der durch die geschickte Spendenwerbung seines ersten Vorsitzenden Dr. Friedrich Haase schon im Sommer 1912 in der Lage war, das Hoflößnitzgrundstück zu erwerben und mit der Sanierung zu beginnen. Satzungszwecke des Vereins 
waren die Erhal- tung des Schlösschens mit seiner wertvollen Innenausstat- tung sowie die Gründung eines „Museums der Geschichte der Lößnitzortschaften und des sächsischen Weinbaues“. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges geriet der Verein jedoch in wirtschaftliche Schwierigkeiten und ging 1915 in Konkurs, wodurch das Museumsprojekt – mit dem Aufbau einer Sammlung war schon 1912 begonnen worden – auf Jahre zum Stillstand kam. Immerhin war das Grundstück ins Eigentum der Hauptgläubigerin des Vereins, der Gemeinde Oberlößnitz, übergegangen.

Im Frühjahr 1924 berief die Gemeinde Oberlößnitz einen vierköpfigen Museumsausschuss, dem neben zwei Lehrern der örtlichen Volksschule, Oswald Neuparth und Bruno Stange, auch der sächsische Landeskonservator Dr. Walter Bachmann und, als Vorsitzender, der Architekt Dr.-Ing. Alfred Tischer angehörten. Mitte Mai 1924 wandte sich der Ausschuss mit der Bitte an die Öffentlichkeit, dem Museum
„wertvolle Lößnitzer Altertümer“ zur Verfügung zu stellen. Innerhalb kürzester Zeit wurden vier Erdgeschossräume im Lusthaus für Ausstellungszwecke hergerichtet, sodass die Eröffnung schon drei Wochen später unter noch sehr provisorischen Bedingungen stattfinden konnte. Anfang Dezember 1924 zeigte das Heimatmuseum im Rahmen einer Kunstwoche dann seine erste Sonderausstellung mit Werken teils namhafter Künstler aus der gesamten Lößnitz, darunter Käthe Kuntze, Hans-Theo Richter, Georg Richter-Lößnitz, Karl Sinkwitz und Rudolph Wirth.

Beflügelt vom Erfolg der Museumsgründung initiierte die Kurverwaltung Oberlößnitz 1924 noch ein zweites aufwendiges Projekt, ein „Winzerfest der Lößnitz“ mit großem Festumzug von der Hoflößnitz über Radebeul nach Kötzschenbroda am 5. Oktober. Die Federführung lag wieder beim Museumsvorstand Dr. Tischer; eine erste Besprechung dazu fand nur neun Wochen vor dem Termin, am 1. August in Oberlößnitz statt. Dessen Bürgermeister Bruno Hörning betonte dabei „besonders, daß das Winzerfest nicht etwa eine Sonderveranstaltung der Gemeinde Oberlößnitz sein sollte, sondern ein Fest der Gesamtlößnitz, das von der freudigen Anteilnahme aller Lößnitzortschaften getragen sein müsse.“ Grund zum Feiern bot nicht zuletzt der inzwischen neubelebte Lößnitzer Weinbau.

Trotz der kurzen Vorbereitungszeit wurde dieses Fest, an dem sich über 60 Vereine beteiligten, das Ereignis des Jahres und ein großer Erfolg, wie noch heute an dem dabei gedrehten Film abzulesen ist. Obwohl Radebeul und Kötzschenbroda als frischgebackene Städte bis auf Weiteres je eigene 19 Wege gingen, feierten ihre Bürger und die der damals noch selbständigen Nachbargemeinden Oberlößnitz und Wahnsdorf das Winzerfest vom 3. bis 6. Oktober 1924 in trauter Eintracht. Bis zum nächsten vergleichbaren Fest sollten 25 Jahre vergehen. Das 600. Jubiläum der urkundlichen Ersterwähnung Radebeuls 1349 beging ganz Radebeul in seinen heutigen Grenzen 1949 gemeinsam.

Das älteste Radebeuler Museum, das 2024 sein 100. Eröffnungsjubiläum feiern kann, fokussierte sich seit den 1960er Jahren ganz auf die Geschichte des sächsischen Weinbaues, in der die Hoflößnitz, einst Weingut der sächsischen Kurfürsten und Könige, selbst eine bedeutende Rolle spielte. Im Herzen der Stadt und des Anbaugebiets Sachsen gelegen, hält das Sächsische Weinbaumuseum, seit 1998 von der Stiftung Hoflößnitz getragen, die Erinnerung an den Wirtschaftszweig wach, der die Lößnitz jahrhundertelang maßgeblich prägte, bevor im 19. Jahrhundert die Verstädterung begann.

Frank Andert

Hoflößnitz früher