Friedrich Eduard Bilz
Als Friedrich Eduard Bilz (1843-1922) vor 175 Jahren in Arnsdorf in ziemlich einfache Verhältnisse hineingeboren wurde, konnte noch niemand ahnen, dass der Spross eines Gärtners dereinst zum Mitbegründer der volksnahen Naturheilkunde avancieren sollte. Dem Wunsch des Vaters folgend (dieser starb, als Friedrich Eduard 16 Jahre alt war) durchlief er eine Ausbildung im Weberhandwerk. Doch die engen, überfüllten und zugigen Weberstuben belasteten seine Gesundheit schwer. Fließbandmäßige Arbeitsstunden, das funzelige Licht und die gesundheitsschädigende Atemluft raubten ihm zusätzlich Kraft. Und selbst ein Ortswechsel nach Meerane, wohin die Walz ihn geführt hatte, verbesserte seine angegriffene Konstitution zunächst nicht. Erst durch die Heirat mit der Webermeister-Tochter Marie Auguste Kreil lächelte Bilz das Glück wieder zu.
Ein florierender eigener Kolonialwarenladen im gemeinsamen Hause verschaffte zudem endlich die nötige Unabhängigkeit, sich der Schriftstellerei, den Naturwissenschaften, vor allem aber sozialen und philosophischen Fragen zu widmen. Dies ist umso erstaunlicher, da er vorher nur die elementarste Bildung einer Dorfschule kennengelernt hatte, doch Bilz war ein strebsamer Autodidakt. Die eigenen gesundheitsabträglichen Erfahrungen führten zu einer Mitgliedschaft im "Verein für Gesundheitspflege und Naturheilkunde". Über viele Jahre sammelte er hier Ideen und Anleitungen zu ganzheitlicher Lebensweise, sozialer Gerechtigkeit sowie naturbelassener Gesundheitslehre.
Im Frühjahr 1888 brachte er diese schließlich gebündelt in Form eines naturheilkundlichen Lehrbuches auf den Markt ("Bilz, das neue Heilverfahren"), das die Dicke der Bibel erreichte, mitsamt ähnlich reißendem Absatz. Weil die ersten Auflagen binnen kurzer Zeit vergriffen waren, und das kleine Meeraner Eigenheim den Anforderungen des aufstrebenden Familienunternehmens nicht mehr genug Raum bot, übersiedelte man nach Dresden. Zu diesem Zeitpunkt schwang sich die Barockstadt zu einem bedeutenden Industrie- und Wirtschaftsstandort auf, mit all seinen gesundheitlichen Auswirkungen auf die Fabrikarbeiter bzw. Stadtbewohner. Nicht nur in Dresden hatten sich bereits einige Sanatorien etabliert, so gab es diese auch in Zitzschewig und Niederlößnitz.
Foto: Stadtarchiv Radebeul
Der landesweite Erfolg des Bilz-Buches versetzte den Autor in die wohlständige Lage, ein Grundstück in Oberlößnitz zu erwerben und dort Theorie und Praxis naturheilkundlich ideal zu verbinden. Überhaupt war Bilz ein findiger Geschäftsmann, wenn es darum ging, verbindlich seinen Wirkungskreis zu festigen. Denn fortan erfreute sich seine Klinik fortlaufender Erwähnung im unablässig abverkauften und nachgedruckten Bilz-Buch. Dies ließ natürlich die Nachfrage nach Kurplätzen ansteigen. Auch sein Schriftwerk wusste er hervorragend zu vermarkten. Circa 500 Stück verließen zeitweise täglich den familieneigenen Verlag; eine Hundertschaft an Vertretern klingelte an Haustüren oder hielt Gesundheitsvorträge mit anschließender Verkaufsstunde. Ausgeklügelte Werbestrategien und Anzeigenvielfalt taten ihr Übriges.
Ähnlich kreativ und innovativ zeigten sich die Wege der Bekanntmachung seiner Heilstätte. Diese wurde dann auch sukzessive vergrößert, mit neuen Badehäusern, Lufthütten und Speisesälen. Außerdem sollte unterhaltsame Zerstreuung durch Salons, Promenadenwege, Kegelbahnen oder Billardtische die Genesung begünstigen. Der Winter verhieß Schlittschuh- und Rodelvergnügen, sowieso kam sportlicher Betätigung eine große heilungsfördernde Bedeutung zu. Die Patienten eilten in Scharen nach Oberlößnitz. Das dazugekaufte Grundstück "Jägerberg" wurde in den Komplex integriert. Für einige Jahre existierte sogar in Leipzig eine Außenstelle der "Bilz‘ Kur- und Dampfbadeanstalt". Kein Wunder, dass angesichts dieses Sensationserfolges Doktoren der klassischen Medizin Sturm liefen. Missgunst und Misstrauen ließen sie gegen die vermeintliche "Kurpfuscherei" ankämpfen. Zwar verwickelten sie nicht nur Bilz in Gerichtsverfahren, sondern auch bei ihm angestellte Ärzte, der Hochkonjunktur von Bilz-Buch bzw. Sanatorium immerhin wussten sie nichts entgegenzustellen.
Doch jeder Zenit wird irgendwann überschritten. Vor 95 Jahren, kurz vor Vollendung seines 80. Lebensjahres, verschied der denkwürdige Pionier naturheilkundlicher Heilpraxis. Mit nimmermüdem Engagement hatte er sich dafür eingesetzt, der Natur und ihrer Wirksamkeit so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken. Dieses Lebensmotto ließ er in Stein meißeln:
"Die Natur war mein Leitstern, möchte sie auch der Leitstern der Nachwelt sein".
Maren Gündel, Stadtarchiv
Erschienen in: Amtsblatt Radebeul, Februar 2017