Carl Pfeiffer

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Carl Pfeiffer

Ein Pionier des Radebeuler Weinbaus

Radebeul ohne Weinbau? Eine unerhörte Vorstellung! Der hiesige Rebensaft, welcher uns nicht nur zum jährlichen Weinfest einen Hauch des dolce vita spüren lässt, gehört fest zur Identität der Radebeuler. Gerade erst zeigen sich die hiesigen Winzer sowohl in Punkto Quantität als auch Qualität vom Jahrgang 2011 überaus begeistert.

Carl Pfeiffer machte die ausdauernde, aufstrebende Weinherstellung im Elbland überhaupt erst möglich. Aktuell im August 2012 würde er seinen 140. Geburtstag begehen. Grund genug, dem Vater der sächsischen Önologie unsere Aufmerksamkeit zu schenken.

Geboren 1872 in Schlesien, führte ihn sein Weg zunächst durch verschiedene gartenbauliche Lehranstalten, wo er sich auf Weinbau spezialisierte. So folgte er 1912 mit seiner Frau Paula dem Ruf des "Rebschulvereins Meißen" als Fachlehrer bzw. Wanderlehrer für Obst- und Weinbau. Hochqualifizierte Köpfe waren zu dieser Zeit dringend gesucht, denn die Weinregion erholte sich gerade von den letzten Ausläufern der verheerenden Reblauskatastrophe. Der Schädling gelangte ab 1860 durch importierte amerikanische Weinstöcke nach Europa und begann sein vernichtendes Werk. Bereits 1885 hatte er Reben im Elbland befallen. Der Versuch mit Verbrennung und Chemiekeule den Schaden einzudämmen blieb erfolglos. 1888 wurde schließlich resigniert vorgeschlagen, die Weinkultur gänzlich aufzugeben. Die enthusiastischen Winzer ließen sich jedoch in ihrer Begeisterung nicht bremsen, bereits 1907 begann die Rekonstruktion durch Veredelung mit reblausresistenten Unterlagen aus Amerika. Das Gelingen dieses Experiments markierte den Startschuss für die Wiederaufrebung in Meißner und Lößnitzer Weinbergen. Früchte einer jeden empor gediehenen Pflanze zeigten sich dadurch nicht nur in Form von reifen Trauben, sondern auch in staatlichen Finanzhilfen.

Mit Wissen und Erneuerungen hatte der Landwirtschaftslehrer Carl Pfeiffer am fortbestehen dieser Erfolgsgeschichte bis heute erheblichen Anteil, denn von der hohen Güte des hiesigen Weines war er unerschütterlich überzeugt. 1916 siedelte er von Meißen in die Oberlößnitz über und wurde im Bestreben um Wiederbelebung mit offenen Armen empfangen. Zu seinen Innovationen gehörten beispielsweise die mineralische Vorratsdüngung sowie der Einsatz der Motorseilwinde. Er schuf Musterweinberge zur Sortenprüfung und legte Klongärten an, um bei unterschiedlicher Rebstockunterlage oder Bodenbeschaffenheit Veredelungstechniken zu testen. Mit Rat und Tat stand der geschätzte "Herr Rat Pfeiffer" (oder "Lös-Pfeiffer") besonders den privaten Winzern mittels Rebschnittkursen und immer gut besuchten Weinbauschulungen zur Seite. 200 Fachartikel veröffentlichte er im Laufe seiner Karriere.


1927 fanden seine unermüdlichen Bemühungen zur Verbesserung des Sächsischen Weinbaus in der Hoflößnitz einen Fixpunkt, durch die Gründung der Weinbauversuchs- und Lehranstalt. Nicht nur die Leitung dieser Hochschule übernahm er selbst, es entstand auch ein eigener Keltereibetrieb zu wissenschaftlichen Forschungszwecken und unabhängiger Eigenfinanzierung. Der Wahl der Zuchtpflanzen kam große Sorgfalt zu, auch flossen die Erkenntnisse aus Versuchskulturen und laufender Beobachtung wieder direkt in den heimischen Weinanbau ein. Sein Credo lautete: aus der Praxis für die Praxis. Außerdem kommt dem findigen Pfeiffer auch in Sachen Marketing eine Vorreiterrolle zu: die einzigartige Flaschenform, die sog. Sachsenkeule, geht auf seine Initiative zurück. Neben seiner Berufung und Schreibtätigkeit stand er über viele Jahre der "Sächsischen Weinbaugesellschaft" und der "Weinbergsgesellschaft Lößnitz" vor. 1938 gehörte er zum Gründungsmitglied der Sächsischen Winzergenossenschaft Meißen, deren Geschäftsleitung er bis 1942 innehatte. Ein Tropfen Müller-Thurgau, ein Schluck Veltliner, ein Glas Neuburger - die ersten Abfüllungen dieser Rebsorten im heimischen Weinbau sind auch Teil der vielen Errungenschaften Carl Pfeiffers.

Seinen Lebensabend widmete Pfeiffer freilich auch dem Lößnitzer Rebensaft. Bereits 1935 ließ er für seine langjährige Mitarbeiterin Magdalena Schlegel einen Weinberg in Radebeul-Zitzschewig anlegen, den "Wächterberg" (Knollenweg 8), auf dem er selbst bis zum Ende seines Lebens geruhsam und fortwährend wirkte. Am 06.02.1946 schloss er seine Augen für immer und am Fuße dieses Weinberges wurde er seinem Wunsch gemäß auf dem Johannesfriedhof beerdigt. Mit Ehefrau Paula und Arbeitskameradin Magdalena teilt er sich dort seinen letzten Ruheplatz.

Maren Gündel, Stadtarchiv

Erschienen in: Amtsblatt Radebeul im August 2012