Erinnerung an Emil Schüller (1871-1923)
Der allmorgendliche Blick in die Zeitung, ein zumeist friedliches und beruhigendes Ritual, behielt vor 90 Jahren dem geneigten Leser des Kötzschenbrodaer Generalanzeigers eine traurige Nachricht vor: "Am 2. Osterfeiertag in früher Morgenstunde verschied nach schwerem Krankenlager der Gemeindevorstand Herr Emil Schüller im 52. Lebensjahre." Er war der erste berufsmäßige Bürgermeister, der in die Spitze der Gemeinde gewählt wurde. Aus Döbeln kommend, übernahm er ab 1896 zunächst den Leitungsposten der Sparkasse zu Kötzschenbroda. Nicht nur diese Aufgabe schien er wohl in Bester Art und Weise zu bewältigen, denn schon bald war er als rechte Hand des damaligen Gemeindevorstehers Friedrich Wilhelm Paul Sewening (1837-1904) nicht mehr von den Amtsgeschäften zu trennen. Nach dessen Tode hatte Schüller sogleich für ein halbes Jahr vertretungsweise den vakant gewordenen Posten inne, bis er schließlich am 30. Juni 1904 in einer außerordentlichen Sitzung des Gemeinderates in das Bürgermeisteramt eingewiesen worden war. Die allgemeine Anerkennung seiner Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit mögen entscheidend zu dieser Wahl beigetragen haben, eine Tatsache, über welche er sich in seiner Antrittsrede ausnehmend erfreut zeigte. Weiterhin bekräftigte Schüller sein Bemühen, das friedliche und nachbarschaftliche Verhältnis zwischen den beiden größten Lößnitzortschaften, Radebeul und Kötzschenbroda, zu vertiefen, denn trotz der neuerlich abgelehnten Anfrage wolle er die Hoffnung nicht sinken lassen, dass sich beide dereinst zu einer vereinigten Lößnitzstadt zusammenschließen werden.
Beachtlichen Wert legte Emil Schüller auf das wirtschaftliche Wachstum der Gemeinde. In diesem Zusammenhang gehörte zu seinen ersten Amtshandlungen das Bestreben, während des am 3. Juli 1904 stattfindenden großen Turnfestes, die Öffnungszeiten der hiesigen Ladengeschäfte zu verlängern, denn neben den rund 2000 Turnern ließ ein reger Besucherstrom das Fest zu einem Ereignis werden.
Erneut gelang dem umtriebigen Schüller durch das 14. Elbgau-Sängerfest (Juli 1908) den Ort sowohl wirtschaftlich als auch touristisch zu stärken. Denn die aus allen Ecken Sachsens angereisten Chansonniers ließen nicht nur die Kassen klingeln, vor allem ihre wunderbaren Lieder erfüllten Kötzschenbrodas Straßen mit Musik. Es wurde sogar eigens eine Sängerhalle gebaut (heute die Sporthalle Radebeul West). Diese, entstanden um der Sangeskunst einen angemessenen Rahmen zu geben, vermochte es auch ein Jahr später zum Zwecke der Handwerkskunst erneut genutzt zu werden.
Die glänzende "Ausstellung der Lößnitzortschaften für Handwerk, Gewerbe, Gartenbau und Industrie" vom 22. Mai bis 28. Juni 1909 fand u.a. in diesen Räumen ihren Platz. Die themenübergreifende Schau sollte "einen Überblick über die industrielle und gewerbliche Entwicklung und Leistungsfähigkeit der Lößnitzortschaften und ihrer Umgebung gewähren und dadurch zur Förderung wirtschaftlicher Interessen beitragen."(1) Der schwedische Grafiker Carl Lindeberg, welcher später für den Karl-May-Verlag zahlreiche Bücher illustrierte, entwarf sowohl das Logo, als auch das Plakat der Ausstellung. Begleitet wurde die Messe von einer Schau des Kunstvereins für die Lößnitz. Den Straßenbau trieb Schüller in besonderer Weise voran: Bahnhofstraße, Meißner- und Güterhofstraße sind Beweise seiner Leistung. Auch um die Eingliederung Lindenaus 1920 und den aktiven Ausbau des oberen Ortsteils sowie dessen Infrastruktur hatte er sich verdient gemacht. Beständig wirkte er an der Entfaltung der Gemeinde, selbst Bildungseinrichtungen vergaß er nicht. Zielorientiert förderte er eifrig das hiesige Schulwesen, insbesondere die Gewerbe- und Berufsschule. Selbst die teils schwierige Lage, eine flächendeckende, vollwertige Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen - denn die Region hatte noch immer mit den Auswirkungen des Krieges zu kämpfen - überwand er meisterlich.
Nicht zuletzt haben sein beharrliches Engagement beim Landtag und verschiedenen Staatsministerien dazu beigetragen, die Erbauung eines Amtsgerichtes in Kötzschenbroda in die Wege zu leiten. Ihm zu Ehren trägt eine Straße in Kötzschenbroda heute seinen Namen. "25 Jahre hat der Verstorbene in der Gemeinde Kötzschenbroda für anderer Wohlergehen seine Kräfte eingesetzt. Ein dankbares Gedächtnis soll ihm bewahrt bleiben!"(2)
Maren Gündel, Stadtarchiv
Quellen: (1) Stadtlexikon Radebeul; (2) Kötzschenbrodaer Generalanzeiger vom 3.4.1923
Erschienen in: Amtsblatt Radebeul, April 2013